Ein Burgenland-Jubiläumsjahr, eine im Burgenland geborene Verlegerin und eine Autorin, die historische Geschichten erzählt – das sind die Erfolg versprechenden Zutaten für den dritten Generationenroman von Evelyne Lorenz.
Die Recherchen zu diesem Buch ließen sie überdies auf familiären Spuren wandeln, denn ihr Mann, der Historiker Albert Lorenz, ist ebenfalls gebürtiger Burgenländer. Die beiden haben in den letzten Monaten also viel Zeit im Burgenland verbracht, sei es, um Romanschauplätze aufzusuchen oder in historischen Archiven zu schmökern, sei es, um Gespräche mit den Nachkommen jener Familie zu führen, deren Schicksal die Handlung des Romans dominiert, oder sei es die Suche nach geeigneten Motiven für das Buchcover (das tatsächlich aus ihrer Kamera stammt).
Virtuos, packend und berührend gleichermaßen hat Evelyne Lorenz neuerlich Lebensgeschichten in einen Geschichtsteppich eingewoben, den sie von den Anfängen des vorigen Jahrhunderts über die beiden Weltkriege bis zum Beitritt Österreichs zur Europäischen Union aufrollt.
Im Zentrum des Romans steht eine Mühle im Südburgenland, die von Johann Martin mit seinen kroatischen und ungarischen Gesellen bewirtschaftet wird. Johann ist ein ehrbarer und allgemein geschätzter Mann, zu seiner Mühle an der Feistritz kommen Fuhrwerke von weither, um das Getreide mahlen zu lassen. Seine für die damalige Zeit eher außergewöhnliche, kosmopolitische Lebenseinstellung verschafft ihm Anerkennung und Würde. Mit seiner Frau führt er ein glückliches und zufriedenes Leben und hofft, dass ihm zu seinen beiden Töchtern auch ein Sohn – ein Nachfolger – geboren wird. Doch das Schicksal schlägt grausam zu und seine Welt gerät ins Wanken …
Während sich Johanns Lebens- und Familiengeschichte vor unserem inneren Auge entspinnt, wird mit dem Ende des Ersten Weltkriegs die politische Landkarte Europas neu gezeichnet. Die über 650 Jahre alte Monarchie Österreich-Ungarn zerfällt.
Die Bevölkerung in den westlichen Gebieten Ungarns setzt sich zu 75 Prozent aus Deutschstämmigen, zu 15 Prozent aus Kroaten und zu zehn Prozent aus Ungarn zusammen. Daher verlangt die Mehrheit der Einwohner Deutsch-Westungarns, pochend auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, den Anschluss an Österreich. Das Burgenland – es ist also kein Bundesland wie alle anderen, es entstand 1921 durch den Willen jener Deutschstämmigen, die mit ihrem JA für Österreich die Loslösung von Ungarn erzwangen.
All das bewegt und prägt die Protagonist/innen des Romans, und natürlich kann man das alles auch aus Geschichtsbüchern erfahren – doch Evelyne Lorenz bettet das, was man ihr erzählt hat, völlig authentisch in einen bestens recherchierten historischen Kontext ein und weckt unweigerlich das Interesse der Leserschaft an der Geschichte unseres jüngsten Bundeslandes. Gleichzeitig setzt sie jenen Menschen ein Denkmal, die mit ihrem Fleiß, ihrem Mut und ihrer Würde dazu beigetragen haben, aus dem einst wirtschaftlich armen Land am östlichen Rand Österreichs eine blühende und lebenswerte Region zu machen.